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Der Genozid an den Herero

Krieg, Emotion und extreme Gewalt in Deutsch-Südwestafrika

  • Erscheinungsdatum: 15.10.2018
  • Buch
  • 352 Seiten
  • ISBN 978-3-95832-164-9
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Beschreibung


Seit es eine kritische Geschichtsschreibung zu »Deutsch-Südwestafrika« gibt, ist mit Blick auf die deutschen ›Pazifizierungskriege‹ gegen Herero und Nama (1904–1908) von ›Genozid‹ die Rede.
Während in der akademischen Debatte keine Zweifel bezüglich des ›Ob‹ bestehen, liegt hinsichtlich des ›Wie?‹ allerdings noch Manches im Dunkeln.
Auf Grundlage zum Teil noch unbekannter Quellen, etwa des handschriftlichen »Kriegstagebuchs« des berüchtigten Kommandeurs der südwestafrikanischen Schutztruppe, Generalleutnant Lothar von Trotha, nimmt die vorliegende Studie eine Rekonstruktion des Krieges zwischen Herero und Deutschen vor und legt dabei ihr besonderes Augenmerk auf die Entfesselung genozidaler Gewalt. Sie liefert eine dichte Beschreibung des Gewaltprozesses, die verschiedene Akteursgruppen, deren spezifische Handlungslogiken und Wechselwirkungen in den Blick nimmt und somit zeigt, dass das Gewaltgeschehen sehr viel stärker von Kontingenz geprägt war, als gemeinhin angenommen wird.

Matthias Häussler im Interview bei L.I.S.A. - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung


Matthias Häussler im Velbrück Wissenschaft Magazin Podcast

Matthias Häussler


Matthias Häussler
© privat
Matthias Häussler promovierte an der Goethe-Universität Frankfurt in Philosophie und an der Universität Luzern in Geschichte. Seine Forschungen führten ihn u.a. nach Berkeley und an das Hamburger Institut für Sozialforschung. Heute forscht und lehrt er an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bei Velbrück Wissenschaft erschienen: Der Genozid an den Herero. Krieg, Emotion und extreme Gewalt in Deutsch-Südwestafrika (2018).

Pressestimmen


Ein gut lesbares Standardwerk, hinter das die Forschung nicht mehr zurückgehen wird.
Tanja Bührer, SZG/RSH/RSS 72/1 (2022).
Häussler vermag durch seine multiperspektivische Betrachtungsweise, die sich auf eine breite Quellenbasis stützt, neue Erkenntnisse zur Forschungsdebatte beizutragen. [... Er] verfolgt in seiner Untersuchung eine Vielzahl unterschiedlicher methodischer Zugänge, die man selten in einer Studie vereint findet: Ansätze der Gewaltsoziologie, der historischen Anthropologie, der Militär- und Operationsgeschichte sowie der Emotionsgeschichte.
Tanja Bührer, Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte 1/22.
[...] jüngst ist mit der Debatte um Restitutionen auch die deutsche Kolonialgeschichte wieder in den Blick gerückt. Die vielfältigen Diskussionen haben manche Vereinfachungen mit sich gebracht, aber auch neue Forschungen angeregt. Besonders ertragreich sind Arbeiten, die sich mit dem Charakter kolonialer Gewalt befassen. Dazu zählt die vorliegende Studie, die noch auf die Anregung des Soziologen Trutz von Trotha zurückgeht. Häussler befasst sich, hier dem Ansatz seines Lehrers folgend, weniger mit den Ursachen der Gewalt oder einem etwaigen rassistischen Programm der Vernichtung als vielmehr mit den Bedingungen, Faktoren und Dynamiken einer Radikalisierung, die am Ende in einen Genozid mündete. Bei seiner differenzierten Analyse hilft ihm eine profunde Quellenkenntnis, die Material aus staatlichen, kirchlichen und privaten Archiven in Deutschland, Namibia, Botswana,Südafrika und Großbritannien einschließt.
Winfried Speitkamp, Historische Zeitschrift, Bd. 309 / 2019.
Well argued, convincingly organized, and beautifully written, Häussler’s book fills a critical gap in the recent debate about the history and theory of colonial violence, bringing extreme violence from «below» – including the weight of emotions – into the general discussion.
Andreas Stucki.
Der Vernichtungskrieg, den deutsche Kolonialtruppen 1904 bis 1908 im heutigen Namibia gegen die einheimischen Herero führten, ist das Thema eines neuen Buchs des […] Kultur- und Sozialwissenschaftlers Matthias Häussler, das mit Sicherheit das Zeug zum Standardwerk hat. […]Doch während in der akademischen Debatte [...] bei der Genozid- Frage keine Zweifel bezüglich des ›Ob‹ bestehen, liegt hinsichtlich des ›Wie‹ noch manches im Dunkeln. Hier setzt Häussler mit seiner sehr präzisen, aber trotzdem gut lesbaren Rekonstruktion des Krieges zwischen Herero und Deutschen an. Das Besondere an der von der ›Deutschen Forschungsgemeinschaft‹ geförderten Studie [...] ist dabei noch nicht einmal so sehr, dass sie zahlreiche neue Quellen aus Namibia, Deutschland, Südafrika, Botswana und Großbritannien auftut [...] Sondern dass Häussler, der von Haus aus Soziologe ist, das Geschehen auf einer neuen konzeptionellen Grundlage betrachtet: der der neueren Gewaltforschung nämlich.
Holger Pöschl, DIE RHEINPFALZ — NR. 277.
Dieses Buch war überfällig. [...] Die soziologische Prägung des Autors merkt man dem Buch auf jeder Seite an. Zugleich hat er sich als Historiker erfolgreich bemüht, den Quellenbestand zur Geschichte dieses Genozids auszuweiten, sodass er nicht allein auf deutsche Verwaltungsakten, sondern auch auf britische Überlieferungen und eine Vielzahl privater Nachlässe zurückgreifen konnte – hervorzuheben ist das handschriftliche Kriegstagebuch des Generals von Trotha. Im Vergleich zu geläufigen Ansätzen und Narrativen zum Hererokrieg, die meist nur längst bekannte Quellen nacherzählen, bringen diese neuen Originalstimmen und Häusslers souveräner Blick über fachhistorische Tellerränder den Lesern vor allem analytischen Mehrwert und Komplexitätsgewinn. Viele Texte der vergangenen Jahre zum Thema, man muss es so deutlich sagen, wirken nun gleichsam unterkomplex, gar naiv.
Jakob Zollmann, MGZ 78/2 (2019).
Gleichwohl regt diese Studie damit zu weiteren Untersuchungen zu dem Verhältnis zwischen Emotion, Rassismus und Gewaltentfesselung an und sei all jenen empfohlen, die sich für Prozesse entgrenzter Gewalt im Allgemeinen oder den deutschen Krieg in »DSW« [Deutsch-Südwestafrika] im Speziellen interessieren.
Frederike Schotters, H-Soz-Kult, 06.09.2019.
[...] Matthias Häußler has produced a complex and highly compelling account of the unfolding of mass violence in German South West Africa. His book includes a range of sources which other historians have largely neglected (soldiers’ memoirs, British material from English, South African and Botswanan archives) or been unable to access (von Trotha’s papers) and which help establish a more nuanced picture. Der Genozid an den Herero certainly is a must-read for anyone who wishes to understand the first genocide of the 20th century and, more generally, the unfolding of extreme violence in the colonial context.
Jonas Kreienbaum, Journal of Namibian Studies, 25 (2019).
Matthias Häussler stützt seine überzeugende Arbeit, die unrichtige Annahmen widerlegt, einen wichtigen Beitrag zur historischen Klärung des Genozids an den Herero im beginnenden 20. Jahrhundert leistet und damit zugleich eine probate Folie zur Untersuchung anderer Völkermorde anbietet, auf eine breite Basis an Literatur und Quellen, darunter das handschriftliche Original des Kriegstagebuchs Lothar von Trothas aus dem Archiv der Familie von Trotha. Unter anderem wertet er neben deutschen und britischen auch Archivbestände Namibias, der Republik Südafrika und Botswanas aus. Britisches Material kompensiert zum Teil die verlorengegangenen Aktenbestände der deutschen Schutztruppe und enthält als seltene Besonderheit auch zeitgenössische Stimmen der Herero und Nama. Für die geographische Orientierung sorgt der sich über zwei Buchseiten erstreckende Abdruck einer zeitgenössischen Karte Deutsch-Südwestafrikas im Maßstab 1: 3.150 000, die auch die Siedlungsgebiete der indigenen Stämme ausweist (S. 344f.).
Werner Augustinovic, Zeitschrift integrativer europäischer Rechtsgeschichte (ZIER) 9 (2019) 50.
Meine Forschungen führten mich nicht nur in Archive in Deutschland oder Namibia, sondern auch in Botswana, Südafrika oder England. Die großzügige Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglichte es mir, eigene Wege einzuschlagen. Zudem hatte ich das Glück, dass mir der Familienverband von Trotha als erstem Forscher Einsicht in das handschriftliche „Kriegstagebuch“ Lothar von Trothas gewährte.
Matthias Häussler im Interview bei L.I.S.A. - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung
Dieses in jeder Hinsicht totale Desaster in all seinen Facetten nun umfassend beleuchtet zu haben, ist das große Verdienst Häusslers.
Thomas Speckmann, Der Tagesspiegel, Nr. 23 799.
Häussler liefert Antworten auf eine Frage, die weit über den Einzelfall hinausgeht: Wie eskaliert Gewalt? Während die juristische Genozidforschung nach einzelnen Verantwortlichen sucht und eine unterkomplexe Zwangsläufigkeit des Geschehens unterstellt, zeigt er: Nichts war hier programmiert. Der Gewalteskalation (der »Normalisierung der Abweichungen«) gingen militärisches Scheitern und Scham voraus. Nicht Soldaten trieben das Töten voran, sondern wirtschaftlich unselbständige, ängstliche Siedler.
Neue Zürcher Zeitung, 21.03.2019.
Die Forschungsarbeit von Matthias Häussler zeigt durch die Heranziehung und Auswertung von bisher nicht, missverständlich oder falsch interpretierten Quellenmaterialien zum Umgang der Kolonialherren mit den Kolonisierten vornehmlich in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika nicht nur kolonialistische und rassistische Verhaltensweisen auf, sondern sie verweist auf darauf, dass »die Genozidforschung viel zu sehr darauf bedacht ist, Gewaltformen voneinander zu unterscheiden und den Blick auf bestimmte Formen einzuschränken, obwohl es darauf ankäme, die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Formen … zu erfassen«. Denn das könnte eine der wesentlichen (neuen) Erkenntnisse der Dissertation sein: »Genozide entwickeln sich aus Prozessen und stoßen Prozesse an«, weil sie eine Vorgeschichte haben und aus dieser sich Unmenschlichkeit bildet.
Jos Schnurer, socialnet.de, 17.01.2019.
Die sozialen Beziehungen zwischen ihnen [Kolonisten und Herero] waren durch Rassismus überformt: Die Europäer fühlten sich den primitien ›Wilden‹ überlegen und verachteten diese - zugleich aber fürchteten sie die Einheimischen und misstrauten ihnen zutiefst. [...] 1904 griffen die Herero zu den Waffen, um sich gegen Unterdrückung und den Verlust ihrer Existenz zu wehren. [...] Es wurde eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt; Gnade gab es auf keiner Seite mehr.
Alexandra Bleyer, Salzburger Nachrichten, 09.03.2019.
The book is recommended not only to all those who are committed to dealing appropriately with the Namibian-German past, but also to those who are directly involved in the ongoing bilateral negotiations between Germany and Namibia, in order to come to terms with the genocide of 1904 to 1908. A translation to English is planned.
Joachim Zeller, the Namibian, 16.04.2019.
Matthias Häussler's reinterpretation of the German genocide against the Herero […] earned him much praise and recognition amongst the scholarly community. Using an innovative approach and with the help of new sources, the author was able to provide fresh insights into this supposedly explored issue. […] Häussler's remarkable arguments are likely to be received even more widely in Namibia and the English-speaking world than they have been in Germany.
L. Grawe, Central European History, 55(4).
Häussler has admirably succeeded in rendering, with acknowledgement of and respect towards its participants, this catastrophic history – moreover, with high methodological regard to the widest possible range of available sources. In short, it is an accomplishment against which future treatments of this topic will have to be measured.
Wolfram Hartmann, Journal of Southern African Studies, Vol. 48, 2022 - Issue 3.
Aus Furcht vor Reparationen tut sich die Politik immer noch schwer damit, das Kind beim Namen zu nennen. Man stelle sich vor, wie die Reaktionen ausfielen, wenn offizielle deutsche Vertreter einschränkend erklärten, die Ermordung des europäischen Judentums durch NS-Deutschland stelle nach heutigem Rechtsverständnis einen Genozid dar; immerhin ist die Anti-Genozid-Konvention ja auch erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden… Das gäbe zu Recht einen Skandal – mit Blick auf OvaHerero und Nama kommt die Politik damit aber offenbar durch.
Matthias Häussler im Interview mit L.I.S.A., dem Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung, 10.09.2024