Darstellung

Philosophie des Kinos

  • Erscheinungsdatum: 21.10.2012
  • Hardcover
  • 648 Seiten
  • 22.2 x 14 cm
  • ISBN 978-3-942393-44-7
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Beschreibung


Am Beispiel des Kinos entfaltet dieses Buch eine Theorie der Massenkultur.
Während die Künste, die Wissenschaften und die Philosophie sich darauf spezialisieren, Differenzierungsprozesse der Sinnbildung zu kultivieren und damit die Welt in ihren Möglichkeiten zu vervielfältigen, sorgt die Massenkultur für hinreichende Typisierungsleistungen, um Differenzierungen aufzufangen und kommunikativ zu stabilisieren. Darum ist die Kritik der Massenkultur als einer Entfremdungsmaschine zwar populär, aber voreilig. Sie unterschätzt die Integrationsleistung solcher Sinnformen für die moderne Gesellschaft und verwechselt den differenzsensiblen Beobachtungsstil der Wissenschaften, der Philosophie und der Künste mit der Kultur insgesamt, die dann – in ihrer Gestalt als Populärkultur – lediglich im Modus der Kritik Interesse findet. Stattdessen sollten wir die Leistung von Typisierungen, die symbolische Prozesse in Wahrnehmungen und Kommunikation herbeiführen können, wertschätzen. Um die moderne Kultur zu verstehen, müssen Differenzierungs- ebenso wie Typisierungsleistungen in den Blick genommen werden.
Typisierungsleistungen der Massenkultur treten exemplarisch im Film hervor. Das Kino war vielleicht die massenkulturell wichtigste Erfindung des 20. Jahrhunderts. Kunstansprüche werden in dieser Symbolform ebenso realisiert wie säkularisierte Spielarten der Religion, Schulungen der Wahrnehmung, Abenteuer der Emotion und Laboratorien der Kommunikation. Im Kino spiegelt sich die Welt in ihren Möglichkeiten. Hier kommt Welt zur Erscheinung und wird auf Gedankliches hin durchsichtig. Was wir auf der Leinwand betrachten, ist nie bloße sinnliche Erscheinung, sondern eine bestimmte Formierung von Sinn. Deshalb sind Bilder des Kinos mehr und anderes als Projektionen banaler menschlicher Wünsche oder deren industrielle Ausbeutung. In ihnen werden Varianten der Welt denkbar, deren Reflexionsgehalt noch im ungetrübten Vergnügen an der Filmwirklichkeit einen Überschuss über schlichte Identität als Verdoppelung des Selben bedeutet.
Filme sind Formen, mit denen die Gesellschaft sich in ihren eigenen Wirklichkeiten und Möglichkeiten für die Augen eines Massenpublikums beschreibt. Sie richten die Wahrnehmung und die Kommunikation auf die Beobachtung kohärenter Möglichkeitsräume aus. Ihr Publikum laden sie dazu ein, sein Leben mit dem Leben in den Filmwelten zu vergleichen, denn die Differenz zwischen Leben und Kino steht nicht in Frage. Filme besitzen dieses Potential dank ihrer diagrammatischen Form. Bilder, Worte und Musik verschränken sich in ihnen zu einer komplexen Einheit, deren Prägnanz und sinnliche Wucht Erfahrungen innerweltlicher Transzendenz erlauben.

Dirk Rustemeyer


Dirk Rustemeyer

Dirk Rustemeyer, geb. 1959, ist seit 1998 Professor für Philosophie an der Universität Witten/Herdecke. Seit 2001 Lehrstuhl für Pädagogik an der Universität Trier, bleibt der Universität Witten jedoch als Gastprofessor verbunden.

Publikationen bei Velbrück: Darstellung, Diagramme

Pressestimmen


Der Autor vollbringt (...) folgende Leistung: dass er nämlich ein entspanntes Verhältnis zur Massenkultur entwickelt und damit Einspruch gegen eine allzu aufgeregte Kulturkritik erhebt. Massenkultur sei, so beschließt Rustemeyer seine Darstellung, „vielleicht ein wenig teuflisch, gefährlich bestimmt nicht“. Besser lassen sich die 700 Seiten nicht zusammenfassen.
Süddeutsche Zeitung, Philip Kovce, 18.7.2013.
Rustemeyer greift auf eine Sammlung von mehr als hundert Filmen zurück, um zu zeigen, wie im Kino nicht nur "Optionen und Reflexionsfiguren des gesellschaftlichen Lebens" (...) exponiert werden, sondern dass das Kino ein Ort praktizierter, nicht-akademischer Philosophie ist und Probleme der Metaphysik, der Religionsphilosophie und der politischen Philosophie in der handfesten, sinnlich anschaulichen Form der Erzählung resp. des Dramas für den Zuschauer erschließt, sozusagen "unterhalb" der Begriffsarbeit der Philosophie.
Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik, 1/2014, Hans J. Wulff.
Mit seiner auf Verstehen der moderenen Kultur in ihrer Gesamtheit ausgelegten Studie setzt Rustemeyer einen erfrischenden, positiven Akzent, der die Welt als Prinzip von Möglichkeiten und Differenzierungen beschreibbar macht.
Eikon, September 2013, Thomas Ballhausen.
Vor ungefähr zwei Jahrzehnten begann sich das Verhältnis von akademischer Philosophie und Massenkultur hierzulande allmählich zu entspannen. In jüngster Zeit scheint ein regelrechter Nachholbedarf zu herrschen. Actiongeladene Kassenschlager werden inzwischen mit demselben wissenschaftlichen Seriositätsanspruch betrachtet, der einst Meisterwerken von Fritz Lang oder Eric Rohmer vorbehalten war. Von dieser Entwicklung zeugt (...) unter anderem Dirk Rustemeyers Mammutwerk "Darstellung".
Philosophie Magazin, Nr. 6/2013, Marianna Lieder.
Rustemeyer untersucht die Filme des 20. und 21. Jahrhunderts, als wären sie Werke eines Autors, nämlich der modernen Gesellschaft mit ihren neuen, sich selbst mit darstellenden Darstellungsmöglichkeiten und ihren alten Sinnbedürfnissen. So legt er eine äußerst anregende Theorie des Kinos vor, die den Vergleich mit klassischen filmtheoretischen Entwürfen Walter Benjamins oder Siegfried Kracauers nicht zu scheuen braucht.
socialnet.de, 30.9.2013, Prof. Dr. Norbert Rath.
Stichwort "Medienkompetenz": Dirk Rustemeyers Entwurf einer Philosophie des Kinos sieht für den Zuschauer die Rolle des Philosophen vor.
F.A.Z., 22.2.2014, Hans J. Wulff.
Es steckt viel Arbeit in seinem Buch, in der Tat. Aber nicht die Spur von Bescheidenheit.
Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Bd. 61, Heft 5-6 (2013), Josef Früchtl.