Das unerledigte Vergangene

Konstellationen der Erinnerung

  • 1. Auflage 2015
  • Erscheinungsdatum: 01.09.2015
  • Hardcover
  • 276 Seiten
  • 22 x 14 cm
  • ISBN 978-3-95832-058-1
lieferbar innerhalb von 2 Werktagen
Auf den Merkzettel

Produktsicherheit

Beschreibung


Die Herausforderung der Erinnerung liegt nicht nur in der Überbrückung der Zeiten oder darin, die Kluft zwischen Damals und Heute, zwischen Fremdem und Eigenem zu überbrücken, um Vergangenes zu rekonstruieren und Vergessenes zurückzugewinnen. Die Schwierigkeit der Erinnerung kann auch darin liegen, dass das Vergangene selbst sich der Rückschau entzieht, dass es in sich dunkel und verstellt, unerkenn-bar und unerinnerbar ist. Im Vergangenen kann ein Unerledigtes sein, das sich der Erinnerung widersetzt und zugleich nach ihr verlangt.

In verschiedener Weise hat Geschichtsreflexion die Auseinandersetzung mit einem unerledigten Vergangenen gezeichnet. Kritische Historie will unterdrückten Geschichten Sprache verleihen. Kulturge-schichte will das unabgegoltene Potential von Neuerungen erschließen, die sich nicht durchsetzen konnten. Psychoanalyse reflektiert die nachträgliche Verfestigung von Erfahrungen, die im Zeitpunkt des Geschehens nicht verstanden und deshalb gar nicht wirklich erlebt werden konnten. Die Aufarbeitung des Vergangenen soll dem Verdrängten zur Artikulation verhelfen. Biographische Besinnung kann sich den verschütteten Erlebnissen zuwenden und dem nicht gelebten Leben Ausdruck verleihen. Zum Vergangenen gehört neben dem Wirklichen das Marginalisierte, das Unentwickelte und Unabgegoltene.

Die Seite des Unerledigten und Unterdrückten bedeutet für das Gedächtnis sowohl eine Gren-
ze wie eine Forderung. In ihm liegt die Schwie-rigkeit ebenso wie die Dringlichkeit des Erinnerns. Dem Vergangenen gerecht werden heißt auch unerfüllte Ansprüche und abgebrochene Entwicklungen ernst zu nehmen, das Vergangene auf seine Zukunft hin zu öffnen.

Emil Angehrn


Emil Angehrn
Emil Angehrn war von 1991-2013 Professor für Philosophie an der Universität Basel. Bei Velbrück Wissenschaft hat er veröffentlicht: Der Weg zur Metaphysik. Vorsokratik, Platon, Aristoteles, 2000; Interpretation und Dekonstruktion. Untersuchungen zur Hermeneutik, 2003; (Hg. mit Ch. Iber u.a.) Der Sinn der Zeit, 2002.

Joachim Küchenhoff


Joachim Küchenhoff
Joachim Küchenhoff ist Professor für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Bei Velbrück Wissenschaft erschienen: Der Sinn im Nein und die Gabe des Gesprächs (2013); veröffentlicht mit Emil Angehrn: Die Vermessung der Seele (2009), Macht und Ohnmacht der Sprache (2012), Die Arbeit des Negativen (2013), Erwartung; Selbsttäuschung; Das unerledigte Vergangene (2015), Selbsttäuschung (2017), Erwartung (2019).