Exzentrische Positionalität

  • Erscheinungsdatum: 04.07.2016
  • Buch
  • 360 Seiten
  • 22.2 x 14 cm
  • ISBN 978-3-95832-093-2
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Beschreibung


Helmuth Plessner ist, vor allem durch seine moderne Philosophische Anthropologie, einer der originären Philosophen der legendären zwanziger Jahre; nach der Rückkehr aus dem niederländischen Exil – wurde er zu einem der maßgeblichen Intellektuellen der jungen Bundesrepublik, dies in erster Linie als Soziologe. In der heutigen Paradigmenkonkurrenz des 21. Jahrhunderts zwischen Neodarwinismus und Poststrukturalismus, zwischen Naturalismus und Kulturalismus, zwischen Dawkins einerseits, Foucault andererseits gilt Plessner inzwischen als eine zentrale, intellektuell wettbewerbsfähige dritte Theorieoption.
Der Band versammelt einschlägige Studien von Joachim Fischer, die die Plessner-Renaissance seit 1989 begleitet und gefördert haben – gerade in der Aufmerksamkeit für das Leistungspotential der verschiedenen Werke. Dementsprechend sind sie entlang von Plessners Schlüsseltexten gruppiert: Einheit der Sinne (1923), Grenzen der Gemeinschaft (1924), Stufen des Organischen und der Mensch (1928), Macht und menschliche Natur (1931), Verspätete Nation (1935/1959), Lachen und Weinen (1940). »Exzentrische Positionalität« – diese artifizielle plessnersche Begriffsfügung für die conditio humana – ist als Kategorie nicht schwieriger als ›Transzendentalität‹ (Kant), ›hermeneutischer Zirkel‹ (Gadamer), ›Negative Dialektik‹ (Adorno), ›Autopoiesis‹ (Maturana/ Luhmann), ›différence/différance‹ (Derrida), ›Dispositiv‹ (Foucault) – alles Fangbegriffe, die im öffentlichen Bewusstsein operativen Status erlangt haben. Aber ›exzentrische Positionalität‹, der Fischers Plessner-Studien ihren Titel verdanken, ist als Schlüsselkategorie möglicherweise aufschlussreicher, mit stärker aufschließender Kraft geladen – eben ein »glücklicher Griff«, wie Plessner selbst vermutete.

Joachim Fischer


Joachim Fischer, geb. 1951 in Hannover, Honorarprofessor für Soziologie an der TU Dresden. Von 2011-2017 Präsident der Helmuth Plessner Gesellschaft; von 2016-2020 Leiter des DFG-Projektes zu »Nicolai Hartmanns Dialogen« (zus. m. Gerald Hartung). Schwerpunkte: Soziologische Theorie und Sozialontologie, Gesellschaftstheorie, Kultursoziologie, Stadt- und Architektursoziologie; moderne Philosophische Anthropologie.

Pressestimmen


Among some of the most important studies of Plessner’s oeuvre over the past thirty years have been those compiled by the Dresden-based scholar Joachim Fischer, whose numerous articles are anthologized in the volume 'Exzentrische Positionalität: Studien zu Helmuth Plessner' (2016). Synthesizing his own scholarship and others’, Fischer’s volume covers the central planks of Plessner’s contributions to sociology, philosophy and political theory, as well as Plessner’s key historical work of 1935, The Belated Nation, on the vicissitudes of German political development from empire to republic after 1918.
Austin Harrington, Theory, Culture & Society, Januar 2020.
Fischers eindringlichste Seiten sind insofern die, in denen der Begriff der exzentrischen Positionalität als Zeitbild aufgeschlüsselt wird: als eine Allegorie auf die Herausforderung von Plessners Epoche. Fischer macht die Kunst als »das geheime Zentrum« (163) seines Werks aus, deutet die Ästhesiologie als ästhetische Anthropologie und die kritischen Schriften als anthropologische Ästhetik, der es um Urteilsbildung jenseits der »Kunst der Extreme« (181) gehe. Auf die Aspektdominanz ästhetischer Radikalismen reagiert Plessner – im Sinne Beckmanns – mit Rettung des Figurativen, eine Figur, die auch in den Ästhetikdebatten nach 1945 gegenwärtig ist. Fischers Pointe ist, die exzentrische Positionalität selbst als Bild des 20. Jahrhunderts zu lesen: als Parallelaktion zur Kunst. Während die Malerei die Figur nach der Entgegenständlichung wieder einführt, bemüht sich die philosophische Anthropologie um den Leibkörper (192). Das Pendelbild exzentrischer Position arbeitet mit am Austarieren mittels eines neuerlichen Proportionsversuchs.
Till Greite, Philosophische Rundschau, Bd. 65, Heft 3/2018.
Fischers Plessner-Studien seien […] all jenen empfohlen, die sich eingehender mit der Theorierichtung der Philosophischen Anthropologie, dem Werk Helmuth Plessners und mit der Anwendung seines theoretischen Begriffsapparates auf architektur-, kunst-, literatur- sowie generell kultursoziologische Gegenwartsphänomene und Fragestellungen vertraut machen möchten.
Daniel Grummt, Österreichische Zeitschrift für Soziologie, (2018) 43.
Joachim Fischer [lenkt] die Aufmerksamkeit in seiner jüngsten Veröffentlichung dezidiert auf das facettenreiche Werk Plessners und würdigt damit den neben Max Scheler und Arnold Gehlen wohl bekanntesten Vertreter der deutschen Philosophischen Anthropologie des frühen 20. Jahrhunderts.
Christopher Hilbert, Zeitschrift für philosophische Forschung, Band 72 (2018), 1.
Das primäre Verdienst Fischers [besteht] darin, Plessners Denken in überzeugender Weise als einen dritten Weg zwischen Naturalismus und Kulturalismus zu präsentieren.
Andreas Göttlich, Soziologische Revue, 2018, 41(2).
Das Buch von Joachim Fischer bewegt sich entlang der Hauptwerke von Helmuth Plessner, theoretische Entwicklungen und Verbindungen rekonstruierend, in ihren Zusammenhängen deutend und auslegend hinsichtlich der Potentiale der Philosophischen Anthropologie für die großen Fragen und Phänomene unserer Zeit. Es ist ein reiches Buch geworden, aus dem man lange schöpfen kann, es schließt Helmuth Plessners Werk auf für künftige Generationen und ist gleichzeitig eigenständig in der Anwendung und Weiterentwicklung des theoretischen Gebäudes.
Aida Bosch, Zeitschrift für Theoretische Soziologie, 2/2017.
Eine konzise Explikation [der] anthropologischen Grundkategorie der „exzentrischen Positionalität“, die Berge von Einführungsliteratur entbehrlich macht, findet sich ebenso wie anthropologische Reflexionen zur Weltraumfahrt, die den Kosmonauten als exzentrische Gestalt beschreiben.
Ulrich Bröckling, Kölner Zs. für Soziologie u. Sozialpsychologie.
Wer nicht nur eine Einführung in die Philosophische Anthropologie sucht, sondern philosophisch wie soziologisch informierten Reflexionen über die Vielfalt der menschlichen Lebendigkeit folgen möchte, […] sollte zu diesem Buch greifen, das der Wissenschaftsverlag wie gewohnt gediegen, inklusive Lesebändchen, ausgestattet hat.
Richard Breun, Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik, Jg. 39 2017/Heft 2.
Insgesamt bietet das vorliegende Werk Fischers einen mehr als profunden Einblick in das Werk Plessners.
Steffen Kluck, Philosophischer Literaturanzeiger Bd. 70, Heft 1/2017.
Fischer, wie Plessner ein Grenzgänger zwischen Philosophie und Soziologie, erschließt den Reichtum von Plessners theoretischen Konzeptionen in glänzenden Interpretationen […].
Hans Ulrich Lessing, Internationales Jahrbuch für philosophische Anthropologie (2017), Vol. 7.
Im Kontext der neueren Post- und Transhumanismusdebatten gibt Fischers kühne Idee von Philosophischer Anthropologie als möglicher moderner ›Platzhalterin des Humanismus‹ eine Anregung zu einer Neubewertung der Frage nach dem aktuellen Inhalt des Humanismusbegriffes.
Alexej Zhavoronkov, Phänomenologische Forschungen 2018 H. 1.