Wahrhaftigkeit ist ein Ideal des Verhaltens zu anderen und zu sich selbst. Doch ist mit sich ins Reine zu kommen bereits alles andere als einfach: Wir sind uns fremd und wissen nicht, wann wir uns selbst täuschen. Auch im Umgang mit anderen, insbesondere im Gespräch miteinander, bewegen wir uns zwischen Offenheit und Verdeckung, Aufrichtigkeit und Simulation. Diese vielschichtige Konstellation wird im vorliegenden Band im Dialog zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Philosophie und der Psychoanalyse erörtert.
Wahrhaftigkeit gilt als Tugend der Wahrheitsliebe, als Leitidee des Erkennens, als Voraussetzung gelingender Kommunikation. Doch begegnet sie uns zumeist im Spannungsverhältnis zum Unwahrhaftigen. Der Gegensatz von Wahr und Falsch, Authentizität und Verstellung durchdringt die individuelle wie die soziale Lebenswelt. Wir sind nicht sicher, wieweit wir normalerweise wirklich aufrichtig und wahrhaftig sind, wieweit wir es sein können, wieweit wir es sein wollen.
Die Beiträge des Bandes untersuchen dieses Spannungsverhältnis mit besonderem Augenmerk auf das Gespräch. Es erweist sich als exemplarischer Ort der Verdeckung, aber ebenso als besondere Ressource der Wahrheit, des Sich-selbst-Findens und Sich-Verständigens mit anderen. Das Gespräch begründet die Forderung nach Wahrhaftigkeit als ethische Norm und funktionales Gebot; es kann dazu verhelfen, Selbsttäuschung zu überwinden.