Staat und Gewissen im technischen Zeitalter

Prolegomena einer politischen Aufklärung

  • Erscheinungsdatum: 15.11.2004
  • Hardcover
  • 460 Seiten
  • 22.2 x 14 cm
  • ISBN 978-3-934730-80-9
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Beschreibung


Gegenstand dieser politikwissenschaftlichen Arbeit ist weder die 'Textur' des Gewissens von Politikern, noch das sozialöffentliche Gewissen, also die Untersuchung von Wohlfahrts-sytemen. Es geht vielmehr um Konzeptionen des moralisch-individuellen Gewissens und der darin konturierten Beziehung zum politischen System. Zentrales Thema ist mithin die Frage nach dem Verhältnis von individueller Freiheit und politischer Ordnung. Dabei wird das semantische Feld im Kontext der Termini Gewissen, Moral und Ethik neu formuliert.

Mittels einer Analyse der Gewissensdiskurse in der Frühmoderne (Immanuel Kant, G.W.F. He-gel) sowie in der Spätmoderne (Niklas Luhmann, Zygmunt Bauman, Michel Foucault bzw. Bio-ethik-Debatte) läßt sich die These entfalten, daß die Erkenntnis der neuartigen normativen Prob-lemstrukturen im technischen Zeitalter eine politologische Aufklärung erfordern, welche die zu-nehmend erkennbar werdenden Grenzen des Wissens in die Theoriebildung einbezieht. Die Poli-tik- und Sozialwissenschaften befinden sich gegenwärtig in einer 'Schwellenphase', in der die herkömmlichen normativen Erklärungsmuster, die in der Tradition des ethischen Humanismus verwurzelt sind, zu erodieren beginnen – doch werden die weitreichenden Konsequenzen des gegenwärtig sich vollziehenden sozio-technischen Umbruchs für die politische Ethik allenfalls halbherzig gezogen. Anstelle des populären Rufs nach einer Ethiksteuerung, die via wissenschaft-licher Begründungskonstruktionen und Regelwerken die politische Emanzipation der Individuen verbindlich anleiten soll, wird in diesem Buch für einen Perspektivenwechsel durch die Ver-schiebung der gewissensrelevanten Leitfragen votiert. Dabei erweist sich – kontraintuitiv –, daß dem 'Subjekt' durch seine vorgängige methodologische De-zentrierung im Rahmen einer politi-schen Ethik der Komplexität neue Bedeutsamkeit zuwächst. Wenn man die Konsequenzen aus der Einsicht zieht, daß es keinen fokalen Punkt zur Konstruktion einer universalistischen Ethik-lehre mehr gibt, sondern der Mensch in der säkularisierten Moderne ein Selbst-Experiment darstellt, dann werden Reflexionen zu einer Gewissenspolitologie anschließbar an demokratietheoretische Fragestellungen.

Renate Martinsen


Renate Martinsen ist Professorin für Politikwissenschaften an der Universität Duisburg. Sie studierte Politikwissenschaften, Germanistik und Philosophie in Konstanz, war wissenschaftliche Assistentin am Institut für Höhere Studien in Wien, Gastprofessorin an der GWU Washington D.C. und habilitierte sich 2003 an der Universität Leipzig. Mit dem vorliegenden Werk.

Publikationen bei Velbrück: Staat und Gewissen im technischen Zeitalter

Pressestimmen


Renate Martinsen zeigt, dass man den Werken dreier so verschiedener Denker wie Luhmann, Baumann und Foucault Erhellendes zum Thema Gewissen entnehmen kann. Das Gewissen muss demnach weder als unhintergehbare moralische Instanz im Individuum noch als bloßer Reflex anerzogener und internalisierter Moral der Gesellschat begriffen werden. Es kann vielmehr Gegenstand der Gestaltung des eigenen Lebens sein, indem der Einzelne sein Gewissen formt, verortet er sich in der Gesellschaft, er nimmt eine Haltung zu vorgefundenen Moralvorstellungen ein, die im Einzelfall ablehnend, kritisch aber auch affirmativ sein kann. Für die Politik bedeutet das: das individuelle Gewissen lässt sch zwar noch gegen den Staat in Stellung bringen, es kann aber nicht ohne weiteres höhere moralische Kompetenz beanspruchen.
Carsten Lenz, ZfP 52. Jg. 4/2005.
Der Autorin geht es zum einen um eine Reformulierung der Aufklärungsfunktion der Politikwissenschaft (als beständiger Problematisierung kollektiver Problemdefinitionen), zum anderen möchte sie für eine Ethik der Komplexität votieren, die allein der modernen Strukturbedingungen von Differenzierung und Individualisierung angemessen wäre.
ZPol-Bibl 3/05,MIR.